Samstag, 13. Dezember 2014

Kuschelig ohne Privatsphäre

Da die Strecke zwischen Varanasi und Delhi die kargste und am meisten befahrene in ganz Indien ist, wie wir erfahren haben, beschließen wir kurzerhand die 3 Tage Rückfahrt zu sparen und den Nachtzug nach Delhi zu nehmen - dahin müssen wir eh zurück - egal wohin wir weiter wollen. Abends um sieben fährt der Zug los und morgens um halb acht ist er schon in Delhi. Kein schlechter Schnitt, im Vergleich zu 3 Tage Smog und nicht mal Chai am Straßenrand! Die Strecke zwischen Varanasi und Delhi ist für die Lunge so, wie ein großer Rollerkorso - wer es kennt, weiß wovon ich rede! 😄 

Zugfahrten in Indien ist ein Erlebnis! Und es beginnt schon direkt nach dem Beschluss überhaupt Zug zu fahren. 

Nachdem die Onlinebuchung mit komplizierten Anmeldeverfahren verbunden ist und wir nicht den ganzen Tag vor den iPads sitzen wollten, fragten wir in unserem Hotel, wie die Prozedur am Bahnhof sein würde und ob wir etwas bestimmtes beachten müssten. "No Problem Sir, wi kän manage dis forr yu. Yu have to buy Ticket and den yu go to Rehlstession and give yorr bikes for put in drreen. Bud dey will exdra charrge" - logisch, wir reden von zwei Eisenschweinen! Die Nummer mit unseren Tickets  klappte auch erstaunlich gut - es dauert halt alles nur Indian time! Morgens um 11 gefragt und schon um 17 Uhr kam der Anruf, dass die Karten jetzt da wären. Haha. Wir waren natürlich schon etwas nervös - Sebastian war etwas nervös und steckte mich mit seinem Sicherheitsdenken "was ist wenn" und "wir wissen doch gar nicht was uns erwartet" an.

Sebastian und ich haben, wie man wahrscheinlich schon merkt, verschiedene Rollen bei unseren Reisen. Immer schon. Ich bin fürs "YiiiHa!" und "Komm, wir machen das jetzt!" zuständig und er hat den vernünftigeren Part. Wir nehmen unsere Aufgaben beide sehr ernst! 😂

Zurück zum Hotel, sagt uns der "Travel-beauftragte", dass Die Gepäckannahmestelle nicht mehr lange geöffnet ist, aber es sei gar kein Problem morgen um 10 hin zu gehen, wenn sie auf machen. "No Problem Sir" 😄

Was ich bisher nicht wusste und langsam begreife, ist das das "No Problem" viel allgemeiner gemeint ist. Es bedeutet soviel wie - its No Problem, if it works out, fine - if not its even no problem to do it tomorrow! 😄 

Wir stehen am nächsten morgen um kurz nach 10 Uhr am Bahnhof. Nach kurzer Suche wurden wir auch fündig. Ein Mann, Mitte Ende 40 mit schlecht sitzendem staubigem Anzug und einer Häckelmütze ist offensichtlich der Boss und damit mein Ansprechpartner. 
Ich hab mich wirklich schon sehr gut an das Hinglish gewöhnt - wenn sie nicht die Unterlippe voll mit einer Tabakmischung hätten, die man hier überall bekommt. 

Ich frage ihn was ich denn tun muss, um die Enfields in den Zug zu bekommen und bekomme die Antwort "UA UA UA UA UA UA UA!" 
Auch nach dem dritten mal nachfragen, kommt der gute Mann nicht auf die Idee den Tabak auf den Boden zu rotzen - das tun sie hier ALLE - damit ich ihn verstehen kann. Er sucht lieber jemanden, der "übersetzt"! 😄😄😄

DIe Übersetzung bedeutet, dass die Mopeds nichtbei unserem Zug mit fahren können, aber vorgeschickt werden. Einzige Chance, dass sie nicht ein Tag verspätet ankommen, ist dass wir sie in einer halben bis dreivierten Stunde verpackt und ohne Benzin ihm vor die Füße stellen sollen!
Wie soll das gehen? Bis wir mit dem TukTuk wieder am Hotel sind, vergehen ja schon 20 Minuten! 😳

Auf meine Anmerkung, dass das nicht klappen wird, sagt er dass es auch etwas später ginge. 
Also schnell zum nächsten TukTuk, zum Hotel und die Böcke holen. Ein Boy vom Hotel kommt mit, weil er unseren Sprit haben will, den wir ablassen müssen.

Jetzt sollte das Towabo los gehen. Das Einpacken der Enfields geschieht natürlich auch in Indian Speed, was uns immer nervöser macht und den Tabak-man immer böser. Er steht mittlerweile mit uns draußen und ist offensichtlich nicht amused, dass wir "so spät" sind. "UA UA UA UA!"
Jaja, wir machen ja schon! 😄




Am Ende klappte alles und die verpackten Enfields rollten in den Zug. Puh - das wäre schon mal geschafft. Der Blick auf die Uhr, sagt dass wir nicht mehr zum Affentempel gehen und lieber 2 Stunden vor unserer Zugabfahrt am Bahnhof sein sollten! 

When India says, you take a seat - you take a seat! 😄 
Ich wollte ja das loslassen lernen - ich trainiere jeden Tag. 😂 ...und es klappt immer besser! 😂😂😂




Um 17 Uhr sind wir wieder am Bahnhof, machen es uns auf dem Bahnsteig gemütlich und schauen uns das Leben am Bahnhof an. Wenn ich EINS jetzt schon sagen kann - es wird nie langweilig in Indien - selbst wenn man nichts tut.








Kurz bevor der Zug da ist, kommt ein Großer schlaksiger Typ mit langen blonden Haaren und einem noch längeren Bart auf uns zu gelaufen. Jesus? 😳 Doron! 😄 Aus Israel.
Ein tiefenentspannter Typ, der eine Ruhe ausstrahlt, der sofort ansteckt! Ah - schön!

Erstaunlicher Weise rollt der Zug pünktlich am angesagten Bahnsteig ein. Wir haben uns im Schlafabteil der zweiten Klasse eingebucht und sind gespannt. 
Es gibt nicht wirklich Abteile in den indischen Zügen (vielleicht in der ersten Klasse). Im Prinzip sieht es nicht viel anders aus, als bei unseren Autoreisezügen in Europs, nur eben ohne Wände und Türen - mit zusätzlichen Betten auf der anderen Seite des Gangs. Privatsphäre gleich Null. Aber es fühlt sich überhaupt nicht unangenehm an - ganz im Gegenteil. Ich glaube mittlerweile würde sich Privatsphäre eher als Isolation anfühlen! 😄

Wir schauen nur in nette, lächelnde Gesichter, die mit dem Kopf wackeln, wie der etwas dickere Hindupriester, der mir gegenüber - über Doron sein Bett hat. Alle 10-15 Minuten kommt jemand anderes mit frischem Chai und verschiedenste Essen vorbei.

Ein schöner Abend mit Sebastian, Doron und vielen tiefgründigen Gesprächen steht uns bevor. 👌 




Good Night! ☺️😴


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