Freitag, 12. Dezember 2014

Tag 8: Da hooli Pleeß Varanasi

Mit dem heutige Tag sollten wir für die letzten Tage entschädigt werden - es geht wieder Berg auf! 😊 👍


Weniger Verkehr, weniger Smog - die Enfields schnurren vor sich hin. Mir ist immer noch etwas schlecht und Sebastian fährt die "Nichts rein - nichts raus"-Taktik, aber sonst ist alles gut. Nach ca. einer Stunde beschließen wir dennoch ran zu Fahren und nach einem Chai-Stand zu schauen. Schnell werden wir fündig und es gibt sogar etwas zu Essen - hm! Gut aussehen tun die Sachen ja, aber jetzt direkt wieder was von der Straße? 


Inzwischen hat ein Motorrad neben uns geparkt, von dem zwei freundliche Jungs mitte 20 absteigen und uns fragen, ob es uns gut geht? Haha - ich sag doch, die sehen das! 😳😄
"Danke, jetzt besser, aber wir hatten bis gestern ein paar Schwierigkeiten!"
"Oh, undrrstand. Den yu shud nod iit anytting hier! No gud for yu! Wi wont Chai - yu shud tek som Chai tu - is gud!"
"Ach ne!" Denke ich mir. Das wollten wir ja grad raus finden. 😄
Nope - kein Chai. Ok, dann ne schnelle Kippe und weiter. Auf der Autobahn sehen wir die Jungs wieder und während sie neben uns fahren, machen Sie Tee-Trink-Gesten. Perfekt. 
Am Teestand angekommen, stellen wir uns erstmal vor. Kashi, 27, geboren und wohnhaft in Varanasi. Wir kommen ins Gespräch und sie laden uns auf den Tee ein. 


Wir verabreden uns mit Kashi für den Abend, um schon mal ein bisschen Varanasiluft zu schnuppern. 

Varanasi ist die heiligste Stadt der Hindus. Wessen Leiche hier dem Ganges übergeben wird, findet den direkten Weg ins Nirvana. Deshalb ist Varanasi einer der großen Pilgerstätten aller Hindus. Als Hindu MUSS man, wenn man schon nicht hier sterben kann, wenigstens einmal da gewesen sein. "Yu arr verry laki to bi hier!" sagen uns alle.
Das kann ich nach der ersten halben Stunde in der Stadt unterschreiben. Die Stadt hat etwas magisches, ist faszinierend und abstoßend zugleich. 

Wie verabredet holt uns Kashi am frühen Abend ab. Nur, dass er sein Motorrad nicht so gerne am Hotel stehen lassen will. Er würde es gerne vorher nach Hause bringen. "We can go wid my Bike - No Problem!" Zu dritt Motorrad fahren: Check! Geht ganz gut! 😄 War ja nicht weit! 

Noch unterwegs sagt Sebastian plötzlich, dass ihm das alles nicht geheuer ist und er ein ungutes Gefühl hat, was mich dezent aus meiner "Leichtigkeit" wirft. "Shit - hab ich uns in irgendwas rein gerissen?" Aber wenn ich ehrlich sein soll, wüsste ich weder was Kashi wollen sollte, noch wie er es anstellen will. Ich hab weder was wertvolles bei mir, noch hab ich jemals von einer Geiselnahme in Varanasi gehört! Haha! 
Kurz vor dem Ziel kommt man vor lauter Getümmel kaum vorran, wir steigen ab und laufen hinter Kashi her, der auch nur im Schrittempo vor uns her fährt. 
Ok, wenn uns das alles zu viel ist können wir einfach rechts oder links abbiegen und sind in der Menschenmenge verschwunden. Ohne jegliche Diskussion oder irgendwas. Sebastian und ich schmeißen unsere Hirne und Bauchgefühle zusammen und beschließen die Röcke aus zu ziehen und uns etwas von Kashi zeigen zu lassen.

Ich hatte damit gerechnet, dass er uns ein bisschen was zeigt und am Ende wahrscheinlich etwas dafür haben will -  d'accord. Ich mag es nur nicht mich blind auf sowas ein zu lassen, also sagte ich dass ich mich sehr freue, dass er uns seine Stadt zeigen will, ich nur gerne wüsste welche Art von Deal wir denn hätten. Er reagierte fast schon entsetzt und fragt mich, ob wir uns denn heute Mittag nicht über Karma unterhalten hätten? Und darüber, dass Menschen sich gegenseitig helfen? Öhöm, etwas peinlich berührt, rudere ich etwas rum und wir ziehen los. Immerhin ist es angesprochen und ich kann mich drauf beziehen, falls es doch noch Überraschungen geben sollte. 

Als erstes an den Ufer des Ganges. 


Der Äußere Bereich der Altstadt ist voller Läden und die schmalen verwinkelten Gassen erinnern ein wenig an die Medina in Marrakesh. Doch je weiter wir Richtung Gats (Verbrennungsstelle von Verstorbenen am Gangesufer) kommen, umso dreckiger, dunkler und molochiger wird es! Der Boden ist locker zu 20% mit Fäkalien von Tier und Mensch und Müll bedeckt und man muss beim laufen etwas genauer hinschauen. Die Straßenbeleuchtung ist spärlich bis teilweise gar nicht vorhanden. 




Auf dem Weg zu unserem ersten Ziel, der Dachterasse des höchsten Gebäudes der Stadt müssen wir durch einen Verbindungstunnel zwischen zwei Gassen in der man die Hand vor den Augen nicht sieht. Als ich die Taschenlampe meines Telefons an machte, sehe ich plötzlich, dass Menschen im Stockfinsteren, nackt und dürr mit langen weißen Bärten im Schneidersitz sitzen und uns anstarren! Sie sehen aus, als würden sie schon seit Jahren da sitzen!!! Spooky! 😨

Auf der anderen Seite angekommen, ein Stück die Gasse lang, betreten wir ein unscheinbares Haus, das eher nach einem Wohnhaus aussieht. Stockwerk für Stockwerk steigen wir hoch und sind gespannt was uns jetzt erwartet. 


Endlich oben angekommen, wartet tatsächlich keine Geiselnahme auf uns 😄, sondern eine riesige Dachterasse, mit einem Blick über die ganze Stadt.


Einige Kippenlängen später geht es weiter. Kreuz und quer durch die Gassen, erreichen wir einen eigentlich verschlossenen Zaun, bei der die Kette nicht straff genug sitzt und man durchpasst. Er geht vor - wir hinterher. Ein großer staubiger Platz - wieder mit nackten sitzenden und anderen, die auf einfachen Planen auf dem Boden schlafen. Okaaay! 
Noch ein paar Meter gerade aus, einmal ums Eck und wir stehen plötzlich vor einer gigantischen Zeremonie, die allabendlich für den Ganges abgehalten wird. Tausenden von Menschen schauen 6 Mönchen zu, wie sie auf einzelbühnen mit Feuerschalen rituelle Choreographien "tanzen". 


Wir sind noch zwei Tage in Varanasi geblieben, haben einen Tag einen offiziellen Guide übers Hotel gebucht - damit hatte Sebastian ein besseres Gefühl und den darauf folgenden Tag mit Kashi.

Wir haben bei unserer Abreise Doron kennen gelernt, einen Israeli, der seit Jahren in Indien rum schwirrt - er meinte Varanasi wäre die Flüssigkeit, die unten aus der Mülltüte tropft. 
Und das stimmt!
Ich meine es überhaupt nicht respektlos. Es ist eine beeindruckende Stadt und ein magischer Ort, an dem der Tod allgegenwärtig ist, ohne was schlimmes zu sein. Es ist nur eben der dreckigste Ort Indiens - vielleicht sogar der Welt - ich weiß es nicht!





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